Q&A vom Landeslehrgang in Berlin 2018

Schon 3. Mal durfte ich in Berlin ein Landeslehrgang leiten.

Vor dem Seminar habe ich die Teilnehmer gebeten, Fragen zur Q&A Runde zu senden. Obwohl einige Fragen bereits während des Seminars beantwortet wurden, habe ich nach dem Seminar einige Fragen persönlich beantwortet. Es gibt unterschiedliche Sicht und vielfältige Fassetten im Kyudo.  Deshalb gibt es nicht nur einzige Antwort zu der Frage, sondern mehrere Antworten oder Erklärungen.

Hier habe ich meine persönlichen Antworten mit den Fragen zusammengestellt.

(Frage) Was genau ist „sanmi ittai”. Im Groben habe ich es als Einheit der drei Körper (Bogen-Körper-Geist) verstanden. Eine Art Konzept. Doch was genau verbirgt sich dahinter?

(Shige) Ja es ist ein Konzept, drei Dinge haben sowohl einzeln wie auch zusammen eine Bedeutung. Dieses Konzept verbirgt sich z.B in Shin-Zen-Bi, Kan-Chu-Kyu, Hi-Chu-Kan usw. Das Konzept der 3 Elemente gibt es bei allen Budo-Arten und nur das Vorhandensein aller 3 ergibt einen Treffer (Ippon).

  • Beim Kendo sagt man Ki (Geist) – Ken (Schwert) – Tai (Körper).
  • Beim Kyudo sagt man Shin (Herz) – Gi (Technik) – Tai (Körper).

Nur ein Treffer reicht nicht, wenn es keine saubere Technik verwendet und ohne richtigen Geist  geschossen wird.

(Frage) Wie lange muss man trainieren, um eine Vorstellung zu haben?

(Shige) 5 Minuten. Eine Vorstellung haben bedeutet nicht sie sofort umsetzen zu können. Die Vorstellung leitet einen zu seinem Ziel. Vorstellungen können sich mit der Zeit ändern, sie sind genauso lebendig.

(Frage) Wie kann man „sanmi ittai”umsetzen/trainieren?

(Shige) Diese Dinge sind teilweise sichtbar teilweise nur spürbar. Am besten solltest Du “Sehen” lernen um richtige Mitori-Keiko zu beginnen. Wenn man sieht, welches sichtbar und unsichtbar da sind, kann man dann selbst daran arbeiten.

(Frage) Ist es sinnvoll dem Anfänger „sanmi ittai” bereits früh nahezulegen oder eher nur verwirrend? Ab wann wäre es sinnvoll?

(Shige) Natürlich, sollte man sowohl als Anfänger wie auch als Fortgeschrittener eine Vorstellung haben, wolang oder wohin man gehen möchte. Die Vorstellung entspricht nicht, was man tun soll, sondern was man werden kann.

(Frage) Der zweite Themenvorschlag bezieht sich auf das Material und die Schießtechnik. Genauer, auf das mögliche Feedback, dass mir mein Material geben kann. Heutzutage haben wir zwar überall Spiegel oder können Videos aufnehmen, früher musste man sich aber allein auf die Beobachtungen und Hinweise anderer Schützen verlassen. Dennoch waren die Schützen von früher exzellent, vermutlich viel besser als wir heute. Daher möchte ich mehr darüber erfahren, welches Feedback ich von meinem Material bekommen kann und wie ich das praktisch für mich nutzen kann (z.B. Beobachtungen von Pfeilflug, Sehnenklang, Trefferbild, gefühlte Anstrengung/Kraftaufwand beim Schießen usw. usw.) Auch unter dem Aspekt, wenn man alleine trainiert und sonst kein Feedback von außen bekommen kann. Wie man trotzdem seine Schießtechnik kontinuierlich weiterentwickeln kann.

(Shige): Die Umwelt und die Zeit haben sich geändert. Als der Bogen für den Krieg verwendet wurde, hat man ganz anderes geschossen (niemals so langsam aufmerksam geschossen) und andere Geräte verwendet. Als der Bogen für Sport (Sanjyu Sangendo) verwendet wurde, hat man auch andere Geräte und Technik verwendet. Nach der Edo-Zeit entstand ein neues Kyudo mit neuen Geräten. Was wir heutzutage praktizieren hat mit der alten Zeit nicht zu tun. Es gibt daher weder besser noch schlechter. Auserdem muss man bedenken, dass früher Beruflich geschossen wurde und heute als Hobby. Die Quantität ist nicht vergleichbar. Der Samurai hat nicht 40 Stunden im Büro gearbeitet und 2x die Woche Abends 20 Pfeile geschossen. Du hast vieles selbst entdeckt, wie man sein eigenes Schießen beurteilen kann. Ein Lehrer kann dich den Weg begleiten, aber Du musst selber Erfahrungen sammeln. Verbessern wirst Du dich durch Mitori-, Yakazu- und Kufuu-keiko.

(Frage) Wie sorge ich beim Tai-Hai für die nötige Präsenz? Und dazu ergänzend: welche Rolle spielt der Unterbauch (Hara) wenn die Bewegungen mit stabilem Dozokuri von der Hüfte (Koshi) ausgehen sollen?

(Shige) Die Beurteilung ob jemand Präsenz hat ist bei jedem individuell unterschiedlich. Du solltest Dir Vorbilder suchen, die für dich die Präsenz zeigen, die du dir selber wünscht. Dann finde heraus, was dir noch fehlt und versuche dies Stück für Stück umzusetzen. Das Hara ist das Zentrum vom Ganzen. Hier fließt die Energie aus allen Richtungen zusammen, welche dann für den Schuss verwendet wird.

(Frage) Wie bestimme und sichere ich als Schütze meine individuelle Auszugslänge, Vollauszug als Bedingung für das Erreichen des Tsumeai.

(Shige) Die ideale Auszugslänge ist abhängig von der Körperproportion, Körperform (Masse und Skelett), Lebensalter (Beweglichkeit und Elastizität), dem verwendeten Gerät (Bogenstärke, Handschuhart usw.) Die in Lehrbüchern beschriebenen Anhaltspunkte treffen vermutlich nur einen geringen Teil der Kyudo Schützen, die genau diesen Angaben entsprechen. Wenn Du Deine Blutwerte misst, kommst Du auch nicht bei allen Werten genau in die Mitte. Aus diesem Grund ist Kufuu-Keiko genau das richtig. Selber körperlich ausprobieren und erfahren was zu viel und was zu wenig Auszug bedeutet (dabei natürlich die Pfeillänge beachten).

(Frage) Zum kommenden Seminar in Berlin würde ich wenn es die Zeit zulässt, gerne etwas über den Atem Rhythmus ab Uchiokoshi erfahren.

(Shige) Der Atem-Rhythmus im Ushiokoshi ist gleich wie in den Hassetsus zuvor. Beim Bewegungsbeginn atmet man ein, in der Bewegung atmet man aus. Einatmen (Phase Energie holen = Schwäche), Ausatmen (Phase Energie ausgeben = Stärke). wie schnell oder wie viel man atmet ist Person zu Person und je nach Körper-zustand unterschiedlich.

(Frage) Da ich denke, dass, je höher die die angestrebte Graduierung, nicht nur die Einzelleistung, sondern auch das Zusammenspiel und die Harmonie innerhalb des Tachi bewertet wird, war es mir wichtig, meine Mitprüflinge kennen zu lernen und mit Ihnen über dieses Thema zu sprechen. Allerdings waren die Reaktionen auf mein Anliegen teilweise sehr verhalten. Kurai Dori wurde nicht erwünscht oder wurde abgelehnt. Wie kann ich meine Mitprüflinge für dieses Thema sensibilisieren? Bzw. kennst Du/Ihr diese Problemstellung und wie geht Ihr damit um.

(Shige) Es gibt sicherlich mehrere Möglichkeiten. Meine Methode sind, immer Mitschützen zu beobachten (Geräte, Mimik, Atmung, Outfit usw.) und selbst eine gute Stimmung und positive Energie für die Gruppe geben. Manchmal gibt es Personen, die überhaupt nicht Kooperative erscheinen. Möglicherweise hat er ein gutes Raumgefühl, deshalb braucht er Kuraidori nicht für sich. Oder es ist sein Ritual vor der Prüfung. Wenn es die Möglichkeit gibt, Kuraidori zu machen ist es auch gut. Aber es muss auch gut sein, wenn man diese Möglichkeit nicht bekommt. Du solltest mit oder ohne Kuraidori bereit sein.

(Frage) Ich kann leider nicht mehr abknien, welche Besonderheiten sind bei Stehern zu beachten? Da gibt es immer wieder unterschiedliche Informationen insbesondere zum Abaluf im Taihai. Wenn der erste ein Steher ist, wann stellen alle andern den Bogen auf……u.s.w.

(Shige) für den Steher gibt es 2 Regeln:

  1. Bewege dich innerlich mit dem Knieenden mit. Der Takt bleibt von der Verbeugung über das Laufen gleich.
  2. Der Steher sollte möglichst unauffällig im Tachi sein. Dabei beachte die Schulterlinie aller Schützen und gleiche diese mit kleinen Bewegungen aus.

Im Idealfall sollte durch die innerliche Bewegung des Stehers kein Unterschied zum Knieenden entstehen. Oft wird dem Tachi gesagt, dass der 2. Schütze die Position des Omais übernimmt, wenn der 1. ein Steher ist. Diese Anweisung ist nicht ganz korrekt und wird überflüssig wenn der Steher die 2 Regeln befolgt, kann aber beim Üben helfen.